Nachbarländer senken Benzinsteuer: Tanktouristen strömen nach Italien – «jetzt muss der Bundesrat handeln»

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Nachbarländer senken BenzinsteuerTanktouristen strömen nach Italien – «jetzt muss der Bundesrat handeln»

Im südlichen Nachbarland kostet der Sprit 30 Rappen weniger als in der Schweiz. In Grenzregionen machen Tankstellen deshalb bis zu 90 Prozent weniger Umsatz. Die SVP fordert nun einen raschen und deutlichen Preisnachlass.

Schweizer Autofahrende in Grenzregionen zieht es ins Ausland zum Tanken. Besonders viele gehen derzeit nach Italien.
Italiens Regierung um Ministerpräsident Mario Draghi senkte die Spritsteuern, weshalb das Tanken dort bis zu 30 Rappen pro Liter günstiger ist als in der Schweiz.
Weils in Italien so viel billiger ist, haben Tankstellenbetreiber und -betreiberinnen im Tessin bis zu 90 Prozent weniger Umsatz.
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Schweizer Autofahrende in Grenzregionen zieht es ins Ausland zum Tanken. Besonders viele gehen derzeit nach Italien.

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Darum gehts

Der Liter Benzin kostet auch zwei Monate nach Beginn des Ukraine-Krieges immer noch deutlich mehr als zwei Franken. Gegen die hohen Spritpreise haben viele Nachbarländer Massnahmen ergriffen.

Italien senkte am 23. März die Spritsteuern. Tanken ist dort nun bis zu 30 Rappen günstiger als in der Schweiz. Frankreich subventioniert den Benzinpreis seit April für vier Monate mit 15 Cent pro Liter. Auch Deutschland senkt die Steuern aufs Benzin von Juni bis August um knapp 30 Cent.

Die Schweizer Politik setzte eine Arbeitsgruppe ein, die sich mit den hohen Preisen befassen soll, aber passiert ist noch nichts. Deshalb tanken Italiener nun nicht mehr wie früher in der Schweiz, sondern Schweizer Tanktouristen ziehts in Heerscharen über die Grenze. In einigen Tankstellen zwischen Lugano und Chiasso brach der Umsatz um 90 Prozent ein, wie der «Corriere del Ticino» schreibt.

«Es ist nicht haltbar, dass die Schweiz nichts unternimmt»

Die Situation sei dramatisch, zitiert die Zeitung den Präsidenten des Tessiner Tankstellenverbands Matteo Centonze. Mehrere Tankstellen mussten ihre Öffnungszeiten reduzieren oder übers Wochenende ganz schliessen, sagt Centonze zur «NZZ am Sonntag». Es sei nicht haltbar, dass die Schweiz als einziges Land nichts gegen die hohen Preise unternehme.

Auch ein Tankstellenbetreiber an der Nähe zur deutschen Grenze befürchtet, dass die Kundinnen und Kunden ins Ausland abwandern. Er würde sich wünschen, dass es eine gesamte europäische Lösung gegen die hohen Preise gäbe, wie er zu 20 Minuten sagt.

Avenergy, der Verband der Treibstoffimporteure, macht nun Druck. In einem Brief an Wirtschaftsminister Guy Parmelin und Finanzminister Ueli Maurer macht er auf die wirtschaftlichen Konsequenzen der einseitigen Steuersenkungen der Nachbarländer aufmerksam. Weiter will sich der Verband nicht äussern, wie es auf Anfrage heisst.

«Benzinpreise tun den Leuten weh»

SVP-Nationalrat Franz Grüter reichte bereits im März 2019 einen Vorstoss ein, mit dem der Benzinpreis durch eine Änderung der Mehrwertsteuer um sieben Rappen pro Liter sinken würde. Denn die Steuern machen rund die Hälfte des Benzinpreise aus (siehe Box).

So entsteht der Benzinpreis

Der Nationalrat nahm Grüters Vorstoss an, doch bis auch der Ständerat zugestimmt hat und der Plan realisiert ist, dürfte es bis nächstes Jahr dauern. «Das dauert viel zu lange. Die Preise tun den Leuten weh, die aufs Auto angewiesen sind. Die kleinsten Einkommen trifft es am härtesten», sagt Grüter zu 20 Minuten.

Die SVP wolle deshalb in ihrer Parlamentsfaktion am 9. Mai über ein Entlastungsprogramm mit temporären Senkungen abstimmen. «Wenn es dann im Parlament angenommen wird, muss der Bundesrat schnell etwas machen.» Welche Massnahmen zum Einsatz kommen sollen, liege am Bundesrat, Grüter fordert aber eine spürbare Preissenkung von mindestens 30 bis 40 Rappen pro Liter.

Von einer europäischen Lösung hält Grüter nichts. «Das würde noch viel länger dauern, bis es zur Einigung käme. Ausserdem legen wir in der Schweiz die Preise selber fest», so Grüter. Er fände es aber nicht schlecht, wenn der Bundesrat nun schnell handelt und sich dabei an den Lösungen der Nachbarländer orientiert.

Grüne-Nationalrat Kurt Egger findet Steuersenkungen aufs Benzin hingegen falsch. «Der Benzinpreis wird wohl noch lange hoch bleiben. Deshalb wäre es besser, man würde von einem SUV auf ein kleineres Auto oder ein Elektroauto umsteigen. Wir haben auch einen exzellenten ÖV in der Schweiz, es gibt viele Ausweichmöglichkeiten für Betroffene», sagt Egger zu 20 Minuten.

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